Cover
Titel
Pearl Harbor. Japans Angriff und der Kriegseintritt der USA


Autor(en)
Melber, Takuma
Erschienen
München 2016: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
223 S.
Preis
€ 16,95
URL
von
Tamara Braun, Neueste Geschichte, University of Bern

Takuma Melbers Buch zum japanischen Überfall auf den Stützpunkt der US-Pazifikflotte in Pearl Harbor im Dezember 1941 erschien pünktlich zum 75. Jahrestag. Dieses wichtige Ereignis, welches den Zweiten Weltkrieg im Pazifik einläutete und die Kriegserklärung Deutschlands an die Adresse der USA zur Folge hatte, wurde in den letzten Jahrzehnten von Historikern bereits zur Genüge untersucht und bahnbrechende neue Ergebnisse können deshalb wohl kaum erwartet werden.

Melbers Werk ist in vier Hauptteile gegliedert. Im ersten und längsten Teil wird diplomatiehistorisch die Vorgeschichte beschrieben. Melber erklärt hier ausführlich, wie sich in den Jahrzehnten vor dem Angriff auf Pearl Harbor ein Antagonismus zwischen Japan und dem Westen, vor allem aber den USA, entwickelt hatte. In diesem Teil wird aufgezeigt, dass es für Japan zwar theoretisch Möglichkeiten gab, einen Krieg gegen die USA mittels Diplomatie zu vermeiden, dies aber praktisch nie eine akzeptable Option war. Vor allem aufgrund des 1937 begonnenen Zweiten Chinesisch-Japanischen Kriegs und der vorgängigen Besetzung der Mandschurei und den damit verbundenen Forderungen der Vereinigten Staaten stand zu viel auf dem Spiel. Ein Rückzug aus der Mandschurei hätte international sowohl einen Gesichtsverlust als auch das Ende der japanischen Expansion bedeutet und wäre innenpolitisch wohl kaum rechtfertigbar gewesen, vor allem angesichts der Ressourcen, die Japan bereits in den Krieg gegen China investiert hatte.

Im zweiten Teil wird der japanische Kriegsplan eingehend erläutert. In diesem Teil kann Melber von seinen Japanischkenntnissen Gebrauch machen und herausgekommen ist ein Kapitel, welches das Dilemma, in welchem sich die japanische Militärführung befand, deutlich macht: Das Hauptziel Japans war es, den Krieg in China zu beenden, aber dazu fehlten Ressourcen. Diese konnten nicht wie bis anhin aus den USA bezogen werden, da diese im Gegenzug den Rückzug Japans aus China forderten. Um sich die Ressourcen zu sichern, waren Eroberungen im asiatischen Raum notwendig, wobei Japan klar war, dass dies mit grosser Wahrscheinlichkeit zu einem Konflikt mit den USA führen würde. Der Angriff auf Pearl Harbor war der japanische Versuch, die US-Pazifikflotte zu neutralisieren, sodass diese nicht oder nur verspätet eingreifen konnte. Auch für Militärhistoriker enthält dieses Kapitel viele interessante und relevante Details, zum Beispiel zu Flugzeugträgern.

Das dritte Kapitel ist eine gelungene Darstellung des Angriffs auf den Stützpunkt der US-Pazifikflotte in Pearl Harbor. Es ist nicht nur dem Luftangriff gewidmet, sondern auch weniger bekannte Aspekte des Angriffs wie etwa der Einsatz von U-Booten finden Beachtung. Im letzten Kapitel zieht Melber zunächst eine Bilanz des Angriffs. Danach wird der Kriegseintritt der USA beschrieben, gefolgt von der Geschichte des ersten japanischen Kriegsgefangenen der USA. Auch die Internierung von japanischstämmigen Personen in den USA wird sehr kurz betrachtet, gefolgt von Kapiteln dazu, ob der Angriff hätte verhindert werden können, zu Verschwörungstheorien rund um das Ereignis sowie zu weiteren (gescheiterten) Versuchen der Japaner, die Amerikaner auf eigenem Territorium anzugreifen. Den Schluss des Buches bildet ein Epilog, welcher auf die Kapitulation Japans im Spätsommer 1945 eingeht.
Melbers Buch ist ein flüssig geschriebenes und gut lesbares kurzes Überblickswerk. Die fiktive Erzählung am Anfang des Buches sowie einige etwas blumige Details muten etwas seltsam an für ein historisch fundiertes Werk. Was das Buch von ähnlichen Werken abhebt ist der Einbezug japanischer Quellen. So sind herkömmliche Werke zum Konflikt im Pazifik oft sehr USA-lastig. Etwas schade ist, dass die Anmerkungen zum Teil eher knapp sind. So wären doch, vor allem auch bei japanischen Quellen, genauere Verweise sehr interessant gewesen, zumindest für Historiker, die mit der Thematik gut vertraut sind. Auch wenn das Einführungskapitel zur Vorgeschichte etwas zu lang geraten ist, gibt es doch den Hintergrund, inklusive insbesondere auch die Bedeutung des Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieges, sehr gut wieder. Der Angriff auf Pearl Harbor wird klar in den internationalen Kontext und die zunehmenden Spannungen zwischen Japan und dem Westen eingebettet. Was ebenfalls und zu Recht erwähnt wird, ist, dass der Angriff auf Pearl Harbor nicht isoliert ausgeführt wurde, sondern Teil eines ausgeklügelten Planes mit gleichzeitig durchgeführten Angriffen auf die Territorien anderer Mächte, wie zum Beispiel auf British Malaya, war. Ebenfalls erwähnenswert ist, dass, anders als in vielen anderen westlichen Untersuchungen zu Pearl Harbor, Spannungen und Differenzen zwischen den verschiedenen japanischen Entscheidungsträgern aufgezeigt werden. Hier wird sehr schön herausgearbeitet, wie es in den Kreisen der japanischen Entscheidungsträger oft an Kommunikation und ehrlichen Einschätzungen mangelte, auch aufgrund des eigenen Stolzes. Auch wird klar aufgezeigt, dass sich der Architekt des Angriffs auf Pearl Harbor, Admiral Yamamoto Isoroku, den politischen, militärischen und wirtschaftlichen Konsequenzen des Angriffs sehr wohl bewusst war, es aber schlicht keine andere Option zu geben schien. Sehr gelungen ist das Kapitel zum Angriff, welches quellennah und übersichtlich die Ereignisse beschreibt und auf sehr eingängige Art und Weise die Diskussion, was passiert wäre, hätte Kommandant Nagumo eine dritte Angriffswelle befohlen, aufgreift. Auch die Abschnitte zu japanischen Spionen auf Pearl Harbor, welche in vielen Werken zum Angriff nicht erwähnt werden, bereichern dieses Kapitel.

Die Schlussfolgerung zeigt die Folgen von Pearl Harbor und die Bedeutung dieses Angriffs für den Zweiten Weltkrieg im Allgemeinen sehr gut auf, allerdings hätte dieses Kapitel auf Kosten des Einführungskapitels durchaus etwas länger sein können und die Implikationen und Konsequenzen des Angriffs etwas genauer beleuchtet und analysiert werden können. Diesem letzten Hauptkapitel fehlt allgemein der rote Faden. Auch eine Einordnung in den Kontext des folgenden, fast vierjährigen Kriegs zwischen Japan und den Alliierten in Asien fehlt praktisch ganz. Dies wäre sehr begrüssenswert gewesen, steht doch die Bedeutung des Angriffs auf Pearl Harbor absolut ausser Frage. Auch wenn das Buch keine revolutionären Ergebnisse zutage fördert, ist diese kurze, gut lesbare Darstellung auf Deutsch doch sehr zu empfehlen.

Zitierweise:
Tamara Braun: Rezension zu: Takuma Melber: Pearl Harbor. Japans Angriff und der Kriegseintritt der USA, München: C.H. Beck, 2016. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 68 Nr. 2, 2018, S. 415-417.

Redaktion
Autor(en)
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 68 Nr. 2, 2018, S. 415-417.

Weitere Informationen
Klassifikation
Epoche(n)
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit